Der Bitprof hält Ausschau nach dem deutschen Nerd und findet das Herz des Eierkopfes
Ich will ehrlich sein: einen echten ausländischen Nerd habe ich noch nie getroffen, zumindest nicht persönlich. Aber man kann diese interessante Spezies heutzutage ja wunderbar im Internet besichtigen. Sie wohnen in einem traumhaften Tal unweit der Pazifikküste, wo immer die Sonne scheint. Sie haben riesige Villen, die besten Jobs der Welt und schaffen die wohl schönsten Dinge, die es gibt – virtuelle Dinge wohlgemerkt. Der Nerd lebt in einer Traumwelt, das zeichnet ihn im Kern aus. Er ist Romantiker. Früher konnten solche Leute nur Priester oder Dichter werden, heute werden sie Milliardär. Nur nicht in Deutschland.
Mit dem deutschen Nerd ist irgendwie nichts los. Wo ist er nur? Versteckt er sich noch immer in den Amtsstuben der Republik, um seine Talente in pure Bosheit zu transformieren?
Mal im Ernst, kennen Sie einen berühmten deutschen Nerd, einen waschechten german geek, der es zu was gebracht hat (mal abgesehen von Weltkriegen und Amokläufen)? Also ich meine Leute wie Bill Gates (Weltherrschaft), Peter Jackson (God of Kitsch), Steve Jobs (Weltherrschaft), Michael Moore (Sexsymbol), Sergei Brin (auch Weltherrschaft) oder Michel Houellebecq (was auch immer).
In Deutschland kann ein Nerd nichts werden. Es gewinnt der stolze Siegfried, der spießige Guido, der stoisch-kohlsche Dickmann, der bohlensche Überidiot. Wahre Hingabe, echte Vision – das alles scheint hierzulande nicht gefragt. Der berühmteste deutsche Nerd ist das angry german kid auf Youtube. Wie traurig! Neuerdings ist es ja Mode, sich als Nerd zu verkleiden. Obercoole Nichtswisser setzen sich dicke Hornbrillen auf und wollen nerdy sein. Doch sie haben nichts verstanden. Wahres Nerdtum liegt nicht in der Brille – es liegt im Herzen, tief im Herzen eines jeden Eierkopfes.
Mit wehmütigen Grüßen
Ihr Andreas Raabe
erscheinen im kreuzer 05.10