erschienen in der Nordsee-Zeitung vom 1. September 2009
Es geht nicht nur um verletzte Gefühle, sondern oft auch um Kinder und Geld: Kein Wunder, dass viele Scheidungen vor Gericht geklärt werden müssen. Künftig soll es dabei gerechter und einfacher zugehen. Das ist ein Ziel der Reform des Scheidungsrechts, die mit dem heutigen Tag in Kraft tritt.
Von Andreas Raabe
„Das Beste ist natürlich, die Scheidung ohne lange Gerichtsverfahren zu regeln“, sagt Heinrich Schürmann vom Deutschen Familiengerichtstag. „Prozesse kosten nur Geld und bringen häufig nicht viel, weil das Vermögen, das eigentlich verteilt werden sollte, für das Verfahren drauf geht.“
Schürmann ist Richter am Oberlandesgericht Oldenburg. Rechtsanwälte werden die Einlassungen des Familienrichters nicht gerne hören. Manfred Szary ist Anwalt. Der Fachanwalt für Familienrecht betreut jährlich hunderte Scheidungsfälle. Richter Schürmann und Anwalt Szary erklären die Änderungen im neuen Scheidungsrecht:
- Schulden vor der Ehe: Wenn kein Ehevertrag geschlossen wurde, befinden sich Ehepartner automatisch in einer Zugewinngemeinschaft. „Beim Zugewinn wird immer das während der Ehe erworbene Vermögen gegenübergestellt. Das wird dann geteilt“, sagt Anwalt Szary. Dabei gibt es für jeden Ehepartner ein Anfangsvermögen zu Beginn der Ehe und ein Endvermögen am Ende der Ehe. „Das System hatte bisher den Fehler, dass es kein negatives Anfangsvermögen gab, wenn einer der Ehepartner mit Schulden in die Ehe gegangen ist.“ Ab heute werden die Altschulden berücksichtigt. „Das bedeutet einen Vorteil für den Ehepartner, der zu Beginn der Ehe ohne Schulden war. Weil er mitgeholfen hat, den Schuldenberg des anderen abzutragen, wird er belohnt“, so Szary. Ein Problem sei jedoch, den Nachweis über lang zurückliegende Schulden zu führen.
- Manipulation: Bisher mussten die Ehepartner ihr Vermögen erst bei der Zustellung des Scheidungsantrages offenlegen. Vor dem Scheidungsantrag steht aber das Trennungsjahr an. „Diese Zeit nutzten viele, um ihr Vermögen zu manipulieren, beiseite zu schaffen oder schlicht zu verjubeln“, sagt Familienrichter Heinrich Schürmann. „Nun gibt es ein erweitertes Auskunftsrecht, mit dem man bereits zu Beginn des Trennungsjahres eine Auskunft über das Vermögen des anderen einholen kann.“ So soll Manipulationen vorgebeugt werden. „Ich rate jedem dringend, diese Auskunft einzuholen“, sagt der Richter.
- Versorgungsausgleich: Beim Versorgungsausgleich geht es um die Aufteilung der Altersvorsorge. „Das Problem dabei ist, dass es sehr vielen Arten der Altersvorsorge gibt: Betriebsrenten, Privatrente, Pensionen und so weiter“, sagt Richter Schürmann. Früher wurde der Wert jeder Rente und Versicherung in einen Topf geworfen. Dann erst wurde aufgeteilt. „Dies war sehr kompliziert und führte oft zu einer Abfindungsregelung zu Lasten der Frau“, so Schürmann weiter. „Ab heute wird jede Rente einzeln berechnet und geteilt, was oft gerechter und einfacher ist, weil man sich die komplizierte Umrechnung spart.“
- Rentenprivileg: „Wenn sich ein 65-jähriger Mann von seiner jüngeren Frau scheiden lässt, hat sie Anspruch auf einen Teil seiner Rente“, erklärt Anwalt Szary. Bisher wurde dieser Anteil aber erst dann abgezogen, wenn die Frau selber auch in Rente geht. „Jetzt wird der Anteil sofort nach der Scheidung abgezogen“, sagt Szary. „Für Rentner ist das ein großer Nachteil.“