Der Bitprof weiß um die Sollbruchstelle im Kommerzspiel und fordert einen Sockel für Independent-Spiele
Es ist schon ein Dilemma: Kommerzielle Spiele werden nie perfekt, nie allumfassend, nie endgültig ausgereift sein. Wer ein perfektes Spiel produziert, kann es nur einmal verkaufen. Aber er kann keinen Nachfolgetitel, kein Addon, kein neues Spiel mit »noch mehr Features« produzieren. Das erste wäre ja schon perfekt. Kommerzielle Produktion braucht Sollbruchstellen, die Möglichkeit für ein neues, besseres Produkt. Wie soll man sonst in Zukunft Geld verdienen? Mit neuen Ideen? Da lachen die Studiobosse – nein, man recycelt und erweitert lieber. So ist das nun mal. Leider.
Dazu kommt die extreme Konsolidierung der Spielebranche auf wenige Megakonzerne, die massenhaft Entwicklerstudios gekauft haben. Die Tendenz, dem flachen Massengeschmack gerecht werden zu wollen, ist die Konsequenz. Komplexität, Anspruch und Innovation sind die Opfer dieser Entwicklung. Großartige Spieleklassiker wurden so schon zugrunde gerichtet. Aktuelle Beispiele sind die neuesten Versionen der »Siedler«-, »Sim City«- oder »Empire Earth«-Reihe. Das waren mal tolle, inspirierte Spiele. Nun sind sie kalt und tot.
Eine Hoffnung sind die unabhängigen Spieleentwickler. Sie unterliegen nicht der wirtschaftlichen Logik von Sollbruchstelle und Massenkompatibilität. Dafür leiden sie unter einem Mangel an Ressourcen. Die Produktion des Blockbusters »Halo 3« zum Beispiel hat etwa 20 Millionen Dollar verschlungen. Dazu kam noch ein einstelliger Millio- nenbetrag für das Marketing. Natürlich kann kein freier Entwickler Leistungen im Gegenwert dieser Beträge erbringen. Aber unkommerzielle Projekte wie Wikipedia oder Linux zeigen, dass es doch geht – irgendwie.
Was wir brauchen, ist vor allem mehr Aufmerksamkeit für unabhängige Entwickler. Preise wie der Independent Games Award sind ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das kann nur der Anfang sein. Hier ist auch die Spielepresse ge- fragt: Hebt gute Indiespiele auf den Sockel! In ihnen stecken Herzblut, Kreativität, Intelligenz und Wahnsinn einer jungen Kultur.
Andreas Raabe
erschienen im kreuzer 03.08