Hi Hipster, du Opfer!

Der Bitprof erzählt die epische Schlacht zwischen Nerd und Hipster – und weiß, dass nur die Liebe zählt

So ein Hipster kann einem schon leidtun. Zum Beispiel wenn er versucht, von einem riesigen, Boa-Constrictor-artigen Schal behindert, von viel zu engen Hosen im Schritt gekniffen, auf einem Singlespeed-Fahrrad ohne Bremsen und mit nadeldünnen Reifen die Karli entlangzufahren. Welch ein Gehoppel, welch ein Gequäle, welch ein verstörendes Bild. Hipster, die ihr Peugeot-Rennrad gar nicht fahren, sondern es nur schieben, sind noch schlimmer. Sie tun so, als würden sie so tun, und denken: Vielleicht sieht das ja wenigstens cool aus. Falsch gedacht!

Der Nerd dagegen hat solche Probleme nicht. Er sitzt zu Hause vor dem Computer, isst Kartoffelchips und schaut sich bei Youtube Videos von Hipstern an, die mit ihren Fixies in Schlaglöcher stürzen. Natürlich weiß er, dass der Hipster bestenfalls ein armseliger Verweis auf ihn, den Nerd, ist. Was ist geworden aus »Karohemd und Samenstau, ich studier Maschinenbau«, fragt der Nerd und fühlt sich beraubt von Hipstern, die ihm den Style stahlen, die dicke Brille, das Karohemd, die Hässlichkeit und die den Maschinenbau durch das Studium französischer Philosophen ersetzten – Jacques Derrida zum Beispiel. Der Nerd will alles, nur nicht cool sein. Der Hipster tut alles, wirklich alles, nur um cool zu sein. Dafür hasst ihn der Nerd und schlägt zurück. Das Internet ist voll mit Blogs, die sich in unbändiger Abscheu über dickbebrillte Enghosenmenschen ergehen.

Und doch ist es langweilig, den Hipster zu hassen. Seine Blindheit gegenüber dem Paradox uniformer Individualität, seine selbstbezogene Konsumsklaverei, seine angstvollen Ironisierungsversuche: Nein, der Hipster ist ein zu leichtes Ziel. Lasst uns ihn lieben, so wie wir den Nerd lieben gelernt haben. Das ist différance! Mocking remark. Think about it.

Endless love wünscht
Ihr Andreas Raabe

erschienen im kreuzer 03.12

Ein Gedanke zu „Hi Hipster, du Opfer!

  1. Stadtbewohner

    Nachdem ich einen wirklich interessanten Artikel gelesen habe, dachte auch ich, dass ich mich mal über das Hipsterdasein auslassen müsste (was ich dann auch getan habe). Der interessanteste Aspekt des ganzen ist die von Dir auch schon benannte Ironie mit der der Hipster andere Stile zitiert (u.a. das Nerdtum) und kein einziges eigenes Statement plaziert, sich daher nicht aus dem Fenster lehnt und paradoxerweise versucht individuell zu sein, in dem er andere kopiert…
    Lass mich den Hipster hassen, es bleibt nur noch so wenig…
    mfg Stadtbewohner

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